Warum Selbstliebe für traumatisierte Menschen so schwer ist

Verfasst von

Barbara Steiner

Veröffentlicht am

05.04.2025.
BlogSelbstliebe
Portrait von Barbara Steiner, auf dem Boden ihrer Praxis sitzend. Sie hat die Augen geschlossen und lächelt. Sie umarmt sich selbst in einem Akt der Selbstliebe.

„Lebe dich selbst!“
und „Sei gut zu dir!“

Diese einfachen Weisheiten erscheinen uns oft als Schlüssel zu einem glücklichen Leben. Doch für traumatisierte Menschen sind diese Ratschläge nicht nur schwer umzusetzen, sondern sie können sogar tiefgehende Schamgefühle hervorrufen. Warum ist das so? Warum fällt es gerade denjenigen, die so viel Leid erfahren haben, so schwer, sich selbst zu lieben?

Was ist Selbstliebe?

Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben!

Selbstliebe bedeutet, sich selbst in all seinen Facetten anzunehmen, mit all seinen Stärken und Schwächen, mit allen Höhen und Tiefen. Es heißt, sich selbst und seine Energie zu ehren. Sich zu erlauben, glücklich zu sein, ohne sich ständig infrage zu stellen, sich klein zu machen oder gar gegen sich zu sein.

Wie gehst du mit dir um? Wie siehst du dich?

Selbstliebe bedeutet, sich selbst mit Wertschätzung, Respekt und Mitgefühl zu begegnen. Behandelst du dich selbst wie deine beste Freundin? Bist du liebevoll, nachsichtig und verständnisvoll mit dir selbst?

Wer sich selbst liebt, nimmt sich Zeit für sich, hört auf die innere Stimme und setzt gesunde Grenzen. Es ist selbstverständlich, dass das eigene Wohlbefinden wichtig ist. Wir behandeln unseren Körper respektvoll, erfüllen unsere Bedürfnisse und verwalten achtsam unsere Kraftreserven. 

Wir bleiben uns selbst treu, unabhängig davon, was andere über uns denken oder von uns halten. Wir vergleichen uns nicht mit anderen, sondern sehen uns selbst mit Liebe an. Wir leben unsere eigene Wahrheit.

Wann hast du dir das letzte Mal bewusst eine “Me-Time” gegönnt – nur für dich – nur du und du? 

Selbstliebe heißt, das Leben bewusst zu gestalten  – mit Achtsamkeit, Freude und Authentizität. Es bedeutet, sich selbst als wertvoll zu erkennen und das Beste in sich hervorzubringen. 

Wer an sich glaubt, schöpft Kraft, um das Leben mit offenem Herzen zu genießen und aus der Fülle heraus Liebe weiterzugeben. Weil wir uns selbst achten, begegnen wir auch anderen mit Wertschätzung und Mitgefühl.

Erkennst du, wie einzigartig du bist?

Du bist unverwechselbar – niemand ist genau wie du. Also lebe dein Leben auf deine Weise, denn nur du kannst es in dieser Form gestalten.

Indem wir unsere Einzigartigkeit annehmen, unsere eigenen Schöpfungen ehren und Verantwortung für unser Glück übernehmen, entfalten wir unser volles Potenzial. Selbstliebe ist der Schlüssel zu einem erfüllten Leben – sie schenkt uns den Mut, unser Leben so zu leben, wie wir es wirklich möchten. Wir leben in Einklang mit unserem wahren Selbst.

Selbstliebe ist die Grundlage für ein gesundes Selbstwertgefühl und das Vertrauen in sich selbst. 

Bist du bereit, in den Spiegel zu schauen und aus tiefstem Herzen ein volles „Ja“ zu dir zu sagen?

Magst du dich? Liebst du dich selbst bedingungslos?

Warum fällt es Traumatisierten so schwer, Selbstliebe zu praktizieren?

Menschen, die schwere Traumata erlebt haben, kämpfen oft mit etwas, das für viele selbstverständlich scheint: sich selbst zu lieben. Doch warum ist das so?

Der Grund liegt darin, dass sie es in manchen Teilen ihres Inneren einfach nie gelernt haben. Wie wir behandelt wurden, so behandeln wir uns selbst. Wer in seiner Vergangenheit Ablehnung, Schmerz oder Vernachlässigung erfahren hat, trägt diese Muster oft unbewusst weiter. Innere Anteile, die sich durch Traumata abgespalten haben, bleiben ungeliebt. Und gerade diese verletzten Anteile sind es, die uns am schwersten fallen zu akzeptieren. Es gibt zu viele abgespaltene Gefühle, zu vieles, das nicht sein durfte. Sie dürfen scheinbar nicht geliebt werden.

Diese Anteile sind auf der Strecke geblieben – unreif, kindlich, verletzlich. Sie tragen die Scham und die Angst in sich, sind die „Monster“ in uns, die „Unsicheren“, die „Falschen“, die „Schmutzigen“, die „Ausgestoßenen“. Sie sind nicht gesellschaftsfähig, also verstecken wir sie. Doch indem wir sie unbewusst verleugnen, verfestigt sich das Gefühl, nicht liebenswert zu sein.

Immer dann, wenn wir getriggert werden, drängen sich diese Anteile in den Vordergrund und flüstern: „Falle bloß nicht auf. Passe dich an. Sag nicht deine Meinung. Sei perfekter. Verstecke dich. Gib nach, bevor es eskaliert. Was glaubst du, wer du bist? Halte dich zurück. Dich mag ohnehin niemand. Du bist zu dumm, zu unattraktiv, zu schlecht. Du hast niemanden verdient.“

Solange diese unverarbeiteten Erfahrungen im Hintergrund wirken, bleibt es schwer, sich selbst ganz und gar zu lieben. Denn tief in uns gibt es Stimmen, die das Gegenteil behaupten – nicht aus Bosheit, sondern weil sie es nicht anders gelernt haben. Sie wiederholen das, was sie einst erlebt haben.

Da dieser Prozess oft unbewusst abläuft, ist es schwer, ihn zu durchschauen. Man spürt nur dieses diffuse Gefühl: Irgendetwas stimmt nicht mit mir. Doch um jeden Preis soll es niemand bemerken.

Die Diskrepanz zwischen Wissen und Praxis

Menschen mit traumatischen Erfahrungen haben oft mehr durchlebt als viele andere. Sie tragen eine tiefgehende Lebenserfahrung in sich, haben sich intensiv mit sich selbst auseinandergesetzt und bereits viel an sich gearbeitet. Sie besitzen oft eine ausgeprägte Reflexionsfähigkeit, die es ihnen ermöglicht, das Leben aus vielen Perspektiven zu betrachten. Sie haben das Leben auf eine intensive Weise erfahren und daraus gelernt.

Doch genau hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen Wissen und gelebter Praxis. Während uns Kalendersprüche und Selbsthilfeweisheiten täglich ermutigen – „Lebe im Moment“, „Sei die beste Version deiner selbst“, „Liebe dich selbst, dann wird sich alles fügen“ – wirken diese Worte für Traumatisierte oft leer und unerreichbar. Was in der Theorie einfach klingt, fühlt sich in der Praxis wie eine ferne Utopie an.

Hinzu kommt der Vergleich mit Menschen, die ihre eigenen Unsicherheiten bereits überwunden haben. Sie erzählen, dass es „gar nicht so schwer“ gewesen war, dass sie ihren Weg durch den Prozess gefunden und daran gewachsen sind. Unsicherheit zu zeigen, sei schließlich nichts Schlimmes. Doch genau dieser Vergleich kann die Selbstzweifel, die ohnehin schon da sind, verstärken: Warum gelingt es mir dann nicht?

Dabei ist eine wichtige Unterscheidung notwendig: Handelt es sich lediglich um ein Gefühl der Unsicherheit oder um eine abgrundtiefe Angst, Fehler zu machen? Diese Differenzierung ist entscheidend, nicht für eine objektive Beurteilung, die ohnehin nicht möglich oder sinnvoll ist, sondern für das Verständnis und die Akzeptanz sich selbst gegenüber.

Trauma ist nicht gleich Trauma. Manche Blockaden sind tief abgespalten und dadurch schwer zugänglich, während andere leichter zu bewältigen, abzulösen und transformierbar sind.

Doch in vielen Persönlichkeitsentwicklungsmethoden wird suggeriert: „Du musst es einfach wagen!“, „Du musst es nur wirklich wollen!“, „Wenn du es nicht schaffst, dann willst du es wohl nicht genug.“ Letztlich klingt es, als sei man selbst schuld, wenn es nicht klappt.

Natürlich steckt darin auch Wahrheit, aber dieser Ansatz ist hart und wenig einfühlsam. Die Hintergründe sind vielfältig und individuell und Vergleiche sind erst recht nicht hilfreich. Es ist wichtig anzuerkennen, dass einige Menschen mit größeren Hürden kämpfen als andere. Besonders Traumatisierte haben oft bereits viel an sich selbst gearbeitet, verschiedene Techniken ausprobiert und wertvolle Erkenntnisse gewonnen – und dennoch bleibt eine tiefe Herausforderung: die Selbstliebe.

Aber weil sie schon so viel verändert haben, fällt es umso schwerer, sich einzugestehen, dass hier eine große innere Blockade liegt. Und genau das macht es noch schwerer.

Und dann folgt der Schmerz der Scham:
Warum gelingt mir nicht, was anderen scheinbar so leicht fällt?
Warum kann ich nicht einfach gut zu mir selbst sein?

Diese Fragen führen zu Selbstzweifeln, dem Gefühl des Versagens, einer inneren Zerrissenheit. Tief im Inneren wissen Traumatisierte, dass Selbstliebe wichtig wäre – doch sie stoßen immer wieder auf eine unsichtbare Barriere: eine tiefe, schmerzhafte Trennung von sich selbst.

Die tiefere Bedeutung von Selbstliebe

Vielleicht ist wahre Selbstliebe wirklich der schwerste und tiefste Akt der Liebe, den wir auf dieser Erde vollziehen können. Sie erfordert nicht nur, dass wir uns selbst annehmen, sondern auch, dass wir uns mit unseren dunklen, schmerzhaften Teilen versöhnen. Für traumatisierte Menschen bedeutet das, sich mit den abgespaltenen Teilen von sich selbst zu beschäftigen, den Anteilen, die durch das Trauma verletzt wurden und die nie die Liebe erfahren haben, die sie gebraucht hätten.

Trauma hat die Fähigkeit, Teile unserer Seele scheinbar abzuspalten. Von einer unteren Ebene aus gesehen, gleicht es einer Sprengung. Bei schweren Erfahrungen werden Emotionen und Erinnerungen aus dem oberflächlichen Alltagsbewusstsein verdrängt, um den Schmerz zu überleben. Diese abgespaltenen Teile sind in der Regel mit Scham, Wut, Ohnmacht oder Angst behaftet. Sie sind von der Liebe getrennt, weil sie in der traumatischen Erfahrung keine Zuwendung erhalten haben. Diese inneren Anteile wurden nie geliebt, und deshalb mussten sie abgespalten werden. In der Heilung müssen wir genau diesen Teilen Liebe und Zuwendung zurückgeben – wir müssen lernen, sie wieder zu integrieren und sie zu lieben. 

Der Weg zur Selbstliebe 

Gerade in der Heilung von tiefen Traumata liegt eine Chance: Für traumatisierte Menschen kann bewusste Selbstliebe zu einem besonders tief integrierten und stärkenden inneren Anteil werden – mitunter ausgeprägter, als es bei nicht traumatisierten Menschen der Fall ist. Durch die intensive Auseinandersetzung mit sich und dem eigenen Schmerz ist es möglich, eine tiefere, umfassendere Form der Selbstliebe zu entwickeln – eine, die weit über das hinausgeht, was man sich jemals hätte vorstellen können. Heilung bedeutet nicht nur die Rückkehr zur “Normalität” (wenn es das überhaupt gibt), sondern eine tiefgreifende innere Transformation.

Es braucht Zeit und Mut, um eine gesunde Selbstliebe zu entwickeln. Bevor die Heilung beginnt, liegt oft eine Phase der Scham. Der Betroffene empfindet sich als Versager, weil er genau die Selbstliebe nicht leben kann, nach der er sich sehnt. Die ”einfachen” spirituellen Techniken und gut gemeinten Ratschläge scheinen nicht zu wirken. Es ist schmerzhaft, das anzuerkennen. Doch dieser Schmerz ist nicht das Ende der Reise, sondern der erste Schritt.

Und der aller allererste Schritt ist, sich nicht mehr zu verurteilen, weil man sich selbst nicht liebt. Es darf einfach sein – auch das. So paradox es vielleicht klingen mag, aber in dem Moment, in dem du dich selbst nicht mehr für das Fehlen von Selbstliebe verurteilst, kommt Leichtigkeit in das Thema. Du erlaubst dir, mit allem, was gerade ist, in Frieden zu sein. 

Es ist ein Akt der Selbstakzeptanz, der das Fundament für alles Weitere legt. Es ist der Beginn des Prozesses, der Heilung und Transformation möglich macht. Denn nur, wenn wir uns selbst mit all unseren Unvollkommenheiten und Schwächen liebevoll annehmen, können wir den Weg zu einer tieferen, wahrhaftigen Selbstliebe gehen. 

Indem wir uns selbst nicht mehr ablehnen, sondern uns mit allen Anteilen unserer Persönlichkeit versöhnen – auch mit denen, die wir lange Zeit verdrängt oder abgelehnt haben –, öffnet sich ein Raum der Heilung. Diese Reise führt uns in die Tiefen unseres Unterbewusstseins. Sie bringt uns zu den verborgenen Schätzen unserer Seele, zu allem, was immer schon ein Teil von uns war – auch wenn es sich getrennt anfühlte. Es ist eine der transformierendsten Reisen, die wir in unserem Leben antreten können.

Am Ende dieses Weges wartet die tiefste und reinste Liebe – nicht nur zu uns selbst, sondern zu allem, was uns ausmacht und uns umgibt. Die größte Liebe, die wir erfahren können, ist die, die wir uns selbst geben, gerade in unseren dunkelsten Momenten. Durch wahrhaftige Heilung, die Integration unserer abgespaltenen Anteile und das bewusste Annehmen unseres Schmerzes eröffnet sich eine neue Dimension der Selbstliebe – eine, die am Beginn dieser Reise kaum vorstellbar war.

Und das Schöne daran: Diese Transformation verändert nicht nur uns selbst, sondern auch die Welt um uns herum!

Deshalb liebe und tue ich, was ich tue. Mit ganzheitlicher, traumatherapeutischer Arbeit helfe ich Menschen dabei, sich Tag um Tag mehr anzunehmen und zu lieben – und ihr inneres Licht freizulegen.


Wenn dich das Thema berührt und du Begleitung suchst: Ich bin gerne an deiner Seite – mit Feingefühl, Erfahrung und einem offenen Herzen.

Rechtlicher Hinweis:
Dieser Blogartikel dient ausschließlich der persönlichen Inspiration und allgemeinen Information. Er ersetzt keine medizinische oder psychotherapeutische Diagnose, Beratung oder Behandlung.

Ich verstehe meine Arbeit als Einladung zur Selbstwahrnehmung und zur bewussten Verbindung mit inneren Ressourcen. Im Rahmen meiner heilkundlichen Tätigkeit als Heilpraktikerin für Psychotherapie begleite ich traumasensibel. Ergänzend setze ich energetische und musiktherapeutische Methoden ein, die Prozesse auf seelischer und feinstofflicher Ebene unterstützend begleiten können. Es werden keine Heilversprechen gegeben.